Nach Verbot: ChatGPT erhält Einzug in den Unterricht an US-Schulen

Kurz nach der Veröffentlichung von ChatGPT verbannten US-Schulen die KI aus dem Unterricht. Nun finden ein Umdenken und ein Richtungswechsel statt.

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(Bild: Shutterstock/metamorworks)

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Kurz nachdem ChatGPT veröffentlicht wurde, kursierte an den (US-)Schulen die Angst, dass ihre Schüler betrügen und den Chatbot von Open AI für Hausaufgaben, Arbeiten und Prüfung zur Hilfe heranziehen würden. Inzwischen findet an den Schulen und unter den Lehrkräften ein Umdenken statt. Sie suchen nach Möglichkeiten, die Text-KI in den Unterricht zu integrieren und ihre Schülerinnen und Schüler auf die digitale Zukunft und Arbeitswelt vorzubereiten.

Zu Beginn dieses Jahres, nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von ChatGPT, sperrte der größte Schulbezirk der USA den Zugang – aus den Netzen und auf den Geräten, die unter der Kontrolle der New Yorker Schulen standen, war der Chatbot nicht mehr erreichbar. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres war die generative KI im Los Angeles Unified School District, dem zweitgrößten US-Schulbezirk, aus dem schulischen Wi-Fi und den Geräten der Schule nicht mehr erreichbar, berichtet die New York Times.

Ein Problem sei, dass wohlhabendere Schüler, die zu Hause eigene Smartphones oder Laptops besitzen und über Zugang zum Internet verfügen, von diesen Tools profitieren würden. Während Schüler, die auf die Geräte und Zugänge der Schule angewiesen seien, das Nachsehen hätten, erklärte Alberto M. Carvalho, der Superintendent (etwa Oberschulrat in Deutschland) des Los Angeles Unified School District.

Inzwischen erklärte eine öffentliche Schule im US-Bundesstaat Washington, dass sie möchte, dass ihre Schüler den Umgang mit ChatGPT, Google Bard und Co. im Unterricht erlernen. "Sie werden in einer Welt aufwachsen, in der dies die Norm ist", so eine Lehrerin der Walla Walla High School, die unter anderem die Aufzucht von Schweinen und Schafen im Rahmen des Unterrichts anbiete.

Mittlerweile sind auch die Schulbezirke New York und Los Angeles zurückgerudert und erklärten, voreilig gehandelt zu haben beziehungsweise an "einer freizügigeren Politik" zu arbeiten. In New York werde man ChatGPT wieder freischalten, berichtet die NYT.

Während einige Schulleitungen und Pädagogen mit komplexen Fragen, die mit der Einführung von KI-Tools entstanden sind, ringen: Wie sollten Hausaufgaben in einer Zeit aussehen, in der Schüler Chatbots zur Erstellung ihrer Texte nutzen können? Wie können Schüler und Lehrer die Bots effektiv und kreativ einsetzen? Gilt es als Schummeln, wenn ein Schüler einen Rohentwurf durch einen Bot erstellen lässt, den er dann selbst umschreibt?

Sind andere Bezirke deutlich weiter und erproben spezialisierte Chatbots, die extra für die Nachhilfe von Schülern entwickelt wurden. Khanmigo etwa, ein Chatbot-Tutor, werde an der Khan Lab School in Palo Alto zu Testzwecken eingesetzt. Andere Bezirke wiederum nutzen ChatGPT als Hilfsmittel, um den Schülern beizubringen, wie generative KI "Falschinformationen zusammenbastelt oder menschliche Vorurteile nachahmt".

Die viel beachtete Veröffentlichung des Chatbots von OpenAI habe die Schulen der USA vor weitere Probleme gestellt, für die die Verantwortlichen Zeit benötigten und deshalb Verbote aussprachen. So habe ein Bezirk mit Sorge auf die Privatsphäre der Schüler geblickt, da sowohl ChatGPT als auch Bard von neuen Nutzern die Angabe persönlicher Daten verlangen. Zu Beginn sei unklar gewesen, wie die Unternehmen mit den Informationen und Eingaben der Schüler umgehen würden.

"Wir wussten einfach nicht genug über die Technologie", sagte Keith Ross, der Direktor für Technologie und Informationsdienste des Schulbezirks im US-Staat Washington, der im Februar den Zugang zu ChatGPT für Schüler sperrte. "Wir haben ihn gesperrt, um uns etwas Zeit zu verschaffen, damit wir wissen, was es ist und wie wir die Lehrer und möglicherweise auch die Schüler bei der Nutzung unterstützen können."

Der Bezirk habe einen beratenden Ausschuss mit 15 Lehrern und Verwaltungsangestellten für künstliche Intelligenz gegründet, um die Vorteile und Herausforderungen, die der Zugang von Schülern zu KI-Chatbots mit sich bringt, zu untersuchen und mehr Schulungen für Lehrer zu diesen Tools geplant. Anschließend habe man Workshops mit einer Technologie-Trainerin für Lehrer veranstaltet – im Ergebnis waren einige der Teilnehmer begeistert, äußerten jedoch Bedenken, dass es Schülern schwerfallen könnte, die KI-generierten Texte ausreichend kritisch zu betrachten.

Die Technologie-Trainerin habe den Schulen empfohlen, ihre Verbote zu überdenken. Voraussetzung sei, dass die Lehrer, die Familien und die Schüler geschult werden.

Auch Stefan Düll, der neue Präsident des Deutschen Lehrerverbands, befürworte den Einsatz von ChatGPT an Schulen. "Wir müssen auch mit einer gewissen Zuversicht rangehen, den Kindern die Chancen zeigen und es auch im Unterricht anwenden", erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Im Deutsch-Unterricht könne etwa die KI ein Barock-Gedicht schreiben, um es dann mit einem Originalgedicht zu vergleichen.

Düll persönlich hadert noch mit den "Prompts" an den KI-Chatbot ChatGPT. Der Versuch, eine Abiturrede mit der generativen KI zu schreiben, habe er wieder aufgeben müssen. "Das ständige Nacharbeiten mit neuen Aufträgen an die KI war mir irgendwann zu blöd. Ich muss mich da noch mehr einarbeiten."

"Die Welt, in der unsere Kinder aufwachsen, wird voller künstlicher Intelligenz sein und wir müssen sicherstellen, dass sie dafür gut gerüstet sind, sowohl für die Vorteile als auch für die Nachteile", sagte Wade Smith, der Superintendent der Walla Walla Public School, kürzlich in einem Interview. "Den Kopf hinter den Vorhang oder unter die Bettdecke zu stecken und zu hoffen, dass es verschwindet, ist einfach nicht realistisch."

(bme)