HD-Display mit Nanotubes

Motorola hat einen neuartigen Bildschirm entwickelt, der Kohlenstoff-Nanoröhrchen als Elektronenemitter nutzt.

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Von
  • Kevin Bullis

Wenn es nach der Motorola-Forschungsabteilung geht, könnten neuartige HD-Displays mit Nanotechnik schon bald ihren Weg in die Fabrikation finden. Der Vorteil: Farbwiedergabe, Kontrast und Schaltgeschwindigkeit sind so gut wie bei Röhrenmonitoren (CRTs), obwohl die neuen Geräte so flach sind wie LC- und Plasma-Displays.

Die auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen basierenden Schirme sind die Nanovariante der so genannten Feldemissionsbildschirme (FEDs), die Motorola und einige Wettbewerber bereits in den neunziger Jahren testeten. Die Selbstleuchter gaben wunderbare Prototypen ab, waren in der Massenproduktion aber zu teuer, um mit der aufstrebenden Flüssigkristalltechnik (LCD) mitzuhalten. "Es hat einfach keinen Sinn gehabt, Fabriken für konventionelle FEDs zu bauen", erklärt Kenneth Dean, der das aktuelle Display-Projekt bei Motorola leitet, "die LCD-Preise halbierten sich damals Jahr für Jahr". Dank Kohlenstoff-Nanoröhrchen könnte die FED-Technik nun aber eine Auferstehung feiern: Die Anwendung des Nanomaterials macht es möglich, billigere Komponenten herzustellen, die auch wesentlich leichter zu handhaben sind.

Motorola selbst will aber auch diesmal keine eigenen Fabriken bauen: Dafür spricht man nun aber ganz konkret mit potenziellen Lizenznehmern bei verschiedenen Herstellerfirmen. Zwei asiatische Anbieter bauen bereits Produktionsstraßen für auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen basierende Bildschirme. Die könnten dann teilweise auf Motorola-Technik setzen, wie James Jaskie, Chefwissenschaftler des Unternehmens, erklärt.

Feldemissionsbildschirme arbeiten ähnlich wie Kathodenstrahlröhren (CRT): Sie leiten Elektronen auf rote, grüne und blaue Phosphorschichten, die auf dem Bildschirm sitzen. Statt nun aber eine Elektronenkanone weit hinter dem Schirm zu positionieren, verwenden FEDs sehr kleine Elektronenemitter, die nur wenige Millimeter entfernt sitzen. Frühe FEDs setzten dabei auf scharfe Metallstifte, doch diese lassen sich über große Flächen nur schwer verteilen. Außerdem waren so hohe Spannungen notwendig, dass man eine teure Elektronik brauchte, um zu kontrollieren, wann welcher Bildpunkt aufzuleuchten hatte.

Bei Kohlenstoff-Nanoröhrchen ist dieses Problem jedoch nicht vorhanden: Dort werden aufgrund ihrer geringen Dichte deutlich weniger Volt benötigt, was die Regelelektronik verbilligt. "Wir nutzen ein elektrisches Feld, um die Elektronen anzuregen - und je steiler und gerichteter es ist, desto weniger Spannung braucht man", erklärt Dean. Weil die Nanoröhrchen so gut als Elektronenemitter arbeiten, lassen sie sich außerdem weiter von der Regelelektronik weg platzieren. So wird es einfacher, größere Displays zu produzieren.

Doch die Arbeit mit Nanoröhrchen war nicht gerade einfach: Die Forscher mussten einen Weg finden, sie bei derart niedrigen Temperaturen herzustellen, dass das Glas des Bildschirms nicht schmilzt. Außerdem war es wichtig, das Nanomaterial gleichmäßig zu verteilen, weil das Auge auch geringe Unterschiede der Helligkeit bei nebeneinander liegenden Bildpunkten erkennen kann. Zu guter Letzt mussten die Nanoröhrchen jeweils in genau richtiger Distanz zueinander liegen, weil sie nur dann am effizientesten arbeiten, wenn sie sich nicht zu nahe kommen.

Motorolas Lösung setzte daher auf ein Material, das automatisch Partikel bilden kann, die gerade einmal drei Nanometer Umfang haben. Dieser Prozess erfolgt, wenn man die Partikel einem Kohlenwasserstoffgas wie Methan aussetzt; zuvor hatte man nur wesentlich größere Spitzen mit 20 Nanometern hinbekommen.

Nach der Lösung dieser Probleme ist die Technologie nun reif, das Labor zu verlassen. "Wir haben die Prototypenphase hinter uns", meint Jaskie. Der nächste große Schritt sei nun die Entwicklung einer Fabrikationsstraße.

Steve Jurichich vom Beratungsunternehmen DisplaySearch gibt allerdings zu bedenken, dass ein Erfolg der Technik teilweise auch davon abhängt, wie weit man bestehende Produktionsmaschinen weiterverwenden kann: "Die LCD-Technik ist ein schwerer Brummer." Wenn die Hersteller von Displays auf Nanoröhrchen-Basis nun ganz von vorne anfangen müssten, sei da kaum mitzuhalten.

Einer der Vorteile der Nanoröhrchen-Displays ist allerdings, dass sie die Phosphor-Bildschirme weiter verwenden können, die heute in der CRT-Massenproduktion zum Einsatz kommen. Außerdem könnte der Nanowachstumsprozess mit ähnlichem Equipment angestoßen werden, das heute zum Auftragen der Halbleiterschicht bei LCDs verwendet wird.

Motorola droht allerdings viel Konkurrenz. Nicht nur im LCD- und Plasma-Bereich wird die Technik immer besser. FEDs werden bereits in neuen Varianten etwa bei Samsung entwickelt, wo man ebenfalls an Nanoröhrchen denkt. Canon und Toshiba wollen bis Ende 2007 ebenfalls FEDs ausliefern - auch hier wird auf Nanotechnik gesetzt, wenn auch nicht auf Nanoröhrchen. Wettbewerb könnte es außerdem von anderen neuen Display-Technologien wie OLEDs oder Nanokristallen geben.

Jurichich freut sich dennoch über den Einfallsreichtum der Hersteller: "Das sind alles grundsätzlich gute Sachen. In einem geeigneten zeitlichen Rahmen werden sich einige dieser Ansätze durchsetzen." Doch vor Weihnachten sei kaum damit zu rechnen - zumindest 2006. (nbo)