zurück zum Artikel

c't Fotografie: Die Buchempfehlungen für das Frühjahr 2024 0 Kommentare

Hendrik Vatheuer, Judith Hohmann

Im Park oder auf dem Balkon mit einem Buch zu sitzen, macht bei Temperaturen um die 20 Grad wieder Spaß. Hier sind unsere vier Empfehlungen für den Frühling.

,
c't Fotografie 3/24

Joel Meyerowitz (*1938) ist einer der renommiertesten Street-Fotografen weltweit. Der Amerikaner ist einer der Wegbereiter der Farbfotografie als ernste künstlerische Ausdrucksform. Bereits Anfang der 1960er-Jahre, als in der Fotografie noch Schwarz-Weiß dominierte, erkannte er das Potenzial von Farbfilmen, die allenfalls in der Werbe- und Urlaubsfotografie Verwendung fanden. So trugen Meyerowitz’ Bilder wesentlich zur Etablierung der Farbfotografie bei und halfen, Vorurteile gegenüber dem Medium abzubauen.

A Question of Color zeigt nun Meyerowitz’ künstlerische Auseinandersetzung mit dem Medium Farbe anhand seiner Bilder aus den Jahren 1962 – 63. In dieser Zeit war der Fotograf stets mit zwei Kameras unterwegs – eine mit Farbfilm und eine mit Schwarz-Weiß-Film – um herauszufinden, welche Motive sich besser wofür eignen.

Die Fotos werden von einem Text begleitet, der Meyerowitz’ Weg zur Farb- und Street-Fotografie nachzeichnet. Angelegt als Gespräch zwischen Meyerowitz und Robert Shore, Autor zahlreicher Foto- und Kunstbücher, gibt dieser einen genauen Einblick in die Praxis und den Werdegang des Fotografen. So ist der Band nicht nur ein Foto-, sondern auch ein Lesebuch, das auf persönliche Weise das Besondere der Street-Fotografie erklärt.

Auf insgesamt 224 Seiten gibt es über 190 Fotografien, die zumeist banale bis skurrile Alltags- oder Straßenszenen aus den frühen 1960er-Jahren und den Zeitgeist dieser (bunten) Epoche zeigen. Nicht alle Aufnahmen sind Meisterwerke, aber sie machen Meyerowitz’ fotografische Denk- und Arbeitsweise nachvollziehbar. Die direkte Gegenüberstellung von Schwarzweiß- und Farbfotografien ist spannend und zeigt, wie die Reduktion auf Graustufen eine zeitlose, dramatische Stimmung erzeugt, während Farbe Details viel besser darstellen und damit eine Szene lebendiger wiedergeben kann.

Für Fans ist diese visuelle Dokumentation ein Muss, aber auch für Enthusiasten der Farb- und Streetfotografie sehr spannend.

Wie sich die Wahrnehmung einer Szene verändern kann, zeigt die Gegenüberstellung von Schwarz-Weiß- und Farbfotos., Joel Meyerowitz

Wie sich die Wahrnehmung einer Szene verändern kann, zeigt die Gegenüberstellung von Schwarz-Weiß- und Farbfotos.

(Bild: Joel Meyerowitz)

, Joel Meyerowitz

(Bild: Joel Meyerowitz)

Mehr von c't Fotografie Mehr von c't Fotografie [16]

Im Bildband Verborgene Heiligtümer beschreibt der Fotograf Martin Gray unbekanntere Kultstätten, die nicht unter den ersten Treffern eines jeden Touristenführers liegen. Es sind mehr oder weniger frequentierte Orte, die Einheimischen wertvoll und Reisenden neu sind. Diese Auswahl versteht sich als Auszug eines seit über vierzig Jahren andauernden Projekts des Autors und Fotografen: einen weltweiten Überblick über Pilgerstätten zu verfassen. Auf seiner Website "World Pilgrimage Guide" sammelt er Eindrücke, Bilder und Informationen aus seiner langjährigen Reisetätigkeit, während derer Gray mehr als 2000 Pilgerstätten besuchte.

Ob Statuen, Tempel oder Kultstätten: So unterschiedlich die einzelnen Monumente der verschiedenen Religionsgemeinschaften nach außen sind, so einheitlich ist doch ihr Sinn, schreibt Martin Gray im Vorwort seines Bildbandes. Menschen suchen den direkten Zugang zu ihren Heiligen, um etwas für sich zu erbitten oder aber für etwas zu danken, das ihnen bereits widerfahren ist. Wie sehr dabei Spiritualität und Naturwissenschaften an diesen Orten verwoben sind, spiegelt sich mal offensichtlich in der Architektur, mal subtiler in der Wahl der Standorte wider.

Für das Buch wählte er um die hundertzwanzig Heiligtümer aus, viele davon in Indien. Gray gruppiert sie geografisch und beschreibt in einem kurzen Textabschnitt, wo sich der jeweilige Ort befindet und warum er für wen bedeutsam ist. Die Beispiele umfassen Figuren, Architektur und auch Naturformationen und reichen vom heiligen Berg Sulaiman Too in Kirgisistan bis zum Tharpaling-Kloster in Bhutan.

Allen Reise- und Kulturbegeisterten schenkt der Bildband neue Einblicke in Stätten abseits einer touristisch vermarkteten Spiritualität. Ein Schatz also für ehrlich Kulturinteressierte, die ihren Horizont über die bloße Kenntnis von Orten wie Mekka und den Tempelberg erweitern möchten.

Steinaltar im Nationalpark Taebaeksan Cheonje in Südkorea

(Bild: Martin Gray)

(Bild: TeNeues)

Berlin ist nicht nur Deutschlands größte Metropole, sondern auch ein Paradies für Street-Fotografen. Die bewegte Geschichte der deutschen Hauptstadt mit ihrer Mischung aus historischer und moderner Architektur macht sie fotografisch besonders interessant. Die verschiedenen Bezirke Berlins – von Charlottenburg über Mitte bis Kreuzberg und Neukölln – haben alle ihren eigenen Charakter und bieten eine reichhaltige Kulisse für Street-Fotografen.

Der Bildband widmet sich der Street-Fotografie in der Hauptstadt. Der Autor Martin U Waltz lebt seit über 40 Jahren in Berlin und arbeitet dort als Fotograf, Autor und Fotolehrer. Mit Berlin Unseen versammelt er an die 200 Fotografien, die allesamt zwischen 2013 und 2022 entstanden sind und sich zum Teil aus bereits entstandenen Bildserien wie berlin berlin, light urban rain oder berlin blur speisen. Der Fotograf möchte einen anderen, "ungesehenen" Blick auf die Menschen und das Leben auf den Straßen Berlins werfen, und Waltz scheint ständig auf der Suche nach neuen Motiven zu sein.

Das gelingt an vielen Stellen hervorragend und so bekommt der Betrachter einen ungewohnten und unverbrauchten Blick auf Situationen abseits der touristischen Hotspots, vom geradezu apokalyptisch anmutenden Rave unter einer Brücke über fein komponierte U-Bahn-Szenen bis zu ganz stillen Großstadtmomenten während der Coronapandemie. Vor allem Waltz’ Schwarz-Weiß-Bilder strahlen eine gewisse Ruhe und Feinsinnigkeit aus. Ergänzt werden die Straßenfotos durch einige Landschafts- und Architekturaufnahmen, zum Beispiel von der längst verschwundenen Cuvry-Brache.

Der Band ist zwar gut zusammengestellt, doch vermisst der interessierte Street-Fotografie-Fan an manchen Stellen das Außergewöhnliche, den großen Zufall, das Verrückte. Obwohl Berlin davon sicherlich genug zu bieten hat, bleibt der Fotoband hier hinter den Erwartungen zurück. Vielleicht wollte der Fotograf gerade das Klischee vom verrückten Berlin vermeiden, oder er konnte nicht nah genug dran sein. Denn das deutsche Bildrecht macht es den hiesigen Street-Fotografen nicht gerade leicht und so wirken Street-Fotos aus Deutschland oft etwas distanzierter und weniger direkt als so manches Bild aus den USA oder Asien.

Insgesamt aber bietet Berlin Unseen den aufschlussreichen Blick eines Fotografen auf eine dynamische Metropole. Damit ist der Band sowohl für Berlin-Liebhaber als auch für Street-Fotografen reizvoll. Waltz’ Bilder sind zudem eine ausgezeichnete Motivation, selbst die Kamera in die Hand zu nehmen, auf die Straße zu gehen und das Leben einzufangen.

U-Bahnhof Warschauer Straße – für die einen reiner Durchgangsort, für die anderen eine Art Bühne auf der Straße.

(Bild: Martin U Waltz)

Wild, ästhetisch und nichts für schwache Nerven. Die Natur in all ihren Facetten zu beschreiben, bedarf unendlich vieler Worte. Oder man staunt über die Bilder geduldiger und ambitionierter Menschen aus fast 30 Ländern dieser Erde. Bereits seit Mitte der Sechzigerjahre schaffen es Fotografinnen und Fotografen, im internationalen "Naturfotograf des Jahres"-Wettbewerb Betrachtende zu begeistern. Die Idee, den Naturschutz zu fördern, spielte dabei von Anfang an eine zentrale Rolle. Die eingereichten Bilder sensibilisieren für die großen Themen unserer Natur. So viel vorweg, dieser Blick schmerzt und ist weit weg von Morgentau und Dämmerglanz.

Der Bildband Wildlife Fotografien des Jahres umfasst auf 160 Seiten die Gewinnerbilder unterschiedlicher Kategorien des Fotowettbewerbs. Aus ursprünglich über 50.000 Einsendungen kürte eine hochkarätige internationale Jury die Favoriten. Dazu zählen Motive der Untergruppen: Verhalten, Komposition oder bedrohte Erde. Neben der inhaltlichen Teilung werden aber auch bemerkenswerte junge Talente in eigenen Altersgruppen gekürt. Jedes Bild wird von einem Text begleitet, der das Geschehen erklärt. Wie kam es zu der Situation oder wie ging sie weiter? So wird aus einer Momentaufnahme eine Geschichte. Diese Informationen helfen, die Bilder zu verstehen, sind aber stellenweise für sensible Menschen schwer zu ertragen. Doch genau das macht sich der Wettbewerb seit jeher zur Aufgabe: aufrütteln und die Natur echt und ungeschönt zeigen. Dazu gehören auch Bilder, die kritische Themen zwischen Mensch und Natur beleuchten, wie Pelzhandel, Tiere im Zoo oder Bergbau.

Der Bildband lässt sich durch seinen Aufbau etappenweise lesen und betrachten. Die Motive sprechen für sich und wer nur die Bilder bestaunen möchte, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Vielleicht reizt Sie das Thema Naturfotografie selbst und der Bildband motiviert Sie, mit einem eigenen Motiv teilzunehmen. Seit Oktober nimmt das Kuratorium wieder Einsendungen für das nächste Jahr an: www.wildlifephotographeroftheyear.com. [17]

Ein Basstölpelpaar umwirbt sich auf den Sandsteinfelsen im Noss-Natural-Naturreservat in Shetland.

(Bild: Rachel Bigsby, Wildlife Photographer of the Year)

(vat [18])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9677809

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3
[2] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/seite-24
[3] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609390441002778
[4] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609393955386523
[5] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609372839222272
[6] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609372940692767
[7] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609372839222272
[8] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609401969305526
[9] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2401610275278008700
[10] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609160633462709
[11] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2334609365653850106
[12] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2407210403126813787
[13] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2332608313582803262
[14] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2403814002285003197
[15] https://www.heise.de/select/ct-foto/2024/3/2405114510680839135
[16] https://www.heise.de/foto/
[17] www.wildlifephotographeroftheyear.com:
[18] mailto:vat@heise.de