Bundesdatenschutzbeauftragter Kelber: Zu unbequem für zweite Amtszeit?​

Wird es bald einen anderen Bundesdatenschutzbeauftragten geben oder bleibt der bisherige? Einen Monat vor Ende seiner Amtsperiode bleibt das umstritten.

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BfDI Ulrich Kelber

(Bild: Bundesregierung/Kugler)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Der Informatiker Ulrich Kelber ist seit vier Jahren Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Er würde gerne weitermachen. Doch ob er das darf, steht vier Wochen vor Ende der offiziellen Amtszeit noch in den Sternen. Die Gespräche dazu im Bundestag laufen.

Unter der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD im Bundestag gewählt, hat Kelber zum Datenschutz regelmäßig den Finger in die Wunde gelegt. Das betraf auch Projekte von Parteifreunden, wie etwa die Gesundheitsdaten-Pläne von Karl Lauterbach. Der Streit geht so weit, dass Lauterbach mit den geplanten Änderungen am fünften Sozialgesetzbuch im Rahmen des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens Kelbers Mitwirkungsrechte beschneiden will. Und die Aufsicht über Forschungsprojekte, die mit den Gesundheitsdaten aller gesetzlich Versicherten, die nicht ausdrücklich widersprochen haben, soll den Landesbeauftragten zufallen. Die zwei Gesetze, die das möglich machen würden, sollen Mitte Dezember im Deutschen Bundestag verabschiedet werden.

In der Bundesregierung regiert derzeit nicht nur die Ampelkoalition, sondern auch der große Glaube an die Wunderkraft der Quantifizierung der Welt: Mit möglichst vielen Daten soll vieles besser und effizienter werden. Zudem brauche es Daten, um Deutschland als KI-Standort voranzubringen, äußern derzeit neben dem Gesundheitsökonomen Lauterbach auch andere Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) oder Digitalminister Volker Wissing.

Doch Kelber steht für real existierenden Datenschutz. Lauter als seine Amtsvorgängerin Andrea Vosshoff (CDU), leiser als einst Peter Schaar (Grüne), mischt sich der Informatiker Kelber nicht nur hörbar in Gesetzgebungsprozesse ein. Er greift auch zu scharfen, rechtlichen Mitteln. Etwa, wenn er dem Bundespresseamt die Nutzung seiner Facebook-Fanpage untersagen will – der Fall liegt seit einer Klage des BPA gegen den BfDI-Bescheid beim Verwaltungsgericht Köln. Auch das Bundeskriminalamt hat gegen einen BfDI-Bescheid Klage erhoben – dabei geht es um eine angeordnete Datenlöschung aus Funkzellenabfragen.

Kelber hat sich in seiner Amtszeit nicht nur Freunde gemacht. Doch zum einen ist der Leiter einer Aufsichtsbehörde nicht in erster Linie Datenschutz-Berater der Bundesregierung. Manuel Höferlin, Innenpolitiker der FDP sagt auf Anfrage von heise online: "Meiner Meinung nach gehört zu der Jobbeschreibung eines unabhängigen Bundesdatenschutzbeauftragten nicht, dass jeder seine Meinung teilen muss. Die Jobbezeichnung zeigt für mich ganz klar, wie die Aufgabe zu verstehen ist: unabhängig." Kelber leiste wichtige Arbeit, sagt Höferlin: "Ich habe ihn stets als kompetenten und gewissenhaften Fachmann wahrgenommen."

Doch die Ebene der Fachpolitiker und der Fachfrage hat der Streit um die Personalie längst verlassen, berichtete zuerst Legal Tribune Online. Inzwischen verhandeln die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen, ob Kelber bleiben darf, gehen muss oder ob es überhaupt einen anderen geben sollte. Für die Grünen ist das die Innenpolitikerin Irene Mihalic. Auf Anfrage von heise online verweist auch sie darauf, dass der Beauftragte natürlich unabhängig sei: "Das bedeutet, dass Stellungnahmen nach bestem Wissen und Gewissen an fachlichen und objektiven Kriterien auszurichten sind. Genau so haben wir die Arbeit von Herrn Kelber und seinem Team bisher wahrgenommen." Er sei ein "engagierter, über die Fachwelt hinaus angesehener Beauftragter. Wir schätzen seine Arbeit für den Grundrechtsschutz und die Informationsfreiheit der Menschen in unserem Land." Derzeit würde die Fraktion dazu Gespräche führen. Das darf wohl trotzdem nicht als uneingeschränkte Unterstützung gesehen werden.

Immer wieder wird der frühere Landesdatenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg Stefan Brink in Diskussionen genannt. Dem hatte die schwarz-grüne Landesregierung lange Zeit auch nicht sagen wollen, ob er sein Amt weiter ausüben dürfe – und gab dem Ländle daraufhin selbst kurz vor Ende der Amtszeit den Laufpass: keine Lust auf Wiederwahl. Brink werden gute Chancen eingeräumt, sollte das Vorschlagsrecht für die Benennung der FDP zufallen.

Auf jeden Fall vermieden werden soll eine lange Hängepartie wie etwa in Sachsen-Anhalt, wo seit Ende 2020 kein Datenschutzbeauftragter vom Landtag ernannt wurde, heißt es in Kreisen der Ampelfraktionen. Dass allerdings zwei erklärte Bürgerrechtsparteien und jene Partei, für die der heutige BfDI Ulrich Kelber selbst 19 Jahre lang im Bundestag saß, nun einen Bundesdatenschützer nicht wiederwählen könnten, weil ihnen dieser zu regierungskritisch ist, dürfte noch für einige Diskussionen sorgen.

Dazu käme ein anderes Problem: Zwar hat der Bundestag noch nie die Vorschriften eingehalten, nach denen der Bundesdatenschutzbeauftragte in einem transparenten Verfahren ernannt werden muss, wie es die seit 2018 vollständig in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung fordert. Doch auch hier wäre eine Neubesetzung höchstwahrscheinlich mit Neuland verbunden: wenn sich selbst potenziell für geeignet empfindende Kandidaten das Verfahren vor Gericht angreifen.

(anw)