KI in der elektronischen Patientenakte: "Man muss diese Diskussion führen"

Während die elektronische Patientenakte im Januar zunächst in einer abgespeckten Version kommt, scheint der nächste Schritt mit Künstlicher Intelligenz gesetzt.

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Arzt zeigt mit Finger Richtung Cloud

Die Diskussion um ePA und KI ist in vollem Gange.

(Bild: greenbutterfly/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
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Vertreter aus Politik und Industrie teilten auf der Gesundheits-IT-Messe DMEA Visionen darüber, wie es mit der elektronischen Patientenakte ab 2025 weitergehen soll. Mit der elektronischen Patientenakte geht es allmählich voran. Ab Januar 2025 gibt es sie in der Opt-out-Variante: Das heißt, wer sie nicht will, muss widersprechen. Anfangs wird die ePA zunächst mit PDF-Dateien befüllt, ab Mitte 2025 sollen die Daten aus der ePA dann an das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelte Forschungsdatenzentrum Gesundheit überführt werden können. Das hat Lena Dimde, Produktmanagerin bei der Gematik, auf einer Veranstaltung der DMEA "Die elektronische Patientenakte für alle: Frischer Wind oder laue Brise?" angekündigt.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht von "KI in all Policies", das soll künftig auch für die ePA gelten. Die "terabyteweise Daten", die entstehen, sind nur mit Künstlicher Intelligenz wirklich zu bewältigen, erklärte Techniker-Chef Jens Baas im Dialog "Schnelle Runde – Wird’s was mit der ePA?". Dabei sei es sinnvoll, "vertrauenswürdige Aufgaben, an jemanden zu delegieren, den man auch kontrollieren kann". Ein Auftrag für eine vertrauenswürdige Aufgabe sollte nicht an ein amerikanisches Großunternehmen gehen, so Baas.

Allerdings gebe es auch Aufgaben, die weiter weg von den Versicherten und näher am Arzt sind, da sei es dann nicht mehr Aufgabe der Krankenkassen für eine Integration der Funktion zu sorgen. Details dazu nannte er nicht. Im Rahmen des gesamten Gesundheitsdatennutzungsgesetzes stehe die ePA laut Baas "auf sicheren Beinen".

Zudem sei es Baas zufolge schwierig, zu rechtfertigen, dass Ärzte bei einem Behandlungsfehler verantwortlich gemacht werden, wenn sie in der Menge der Dokumente beispielsweise eine Unverträglichkeit übersehen haben. Daher müsse es perspektivisch eine KI-Auswertung geben. "Auf der ePA werden in kurzer Zeit Dutzende von unstrukturierten PDFs liegen – um diese sinnvoll in die Versorgung zu integrieren, müssen die effizient gelesen und verarbeitet werden: Das geht nur mit KI.", meint auch Andre Sander vom Software-Unternehmen ID Berlin.

Aus Sicht von Andreas Hempel, Solution-Architekt für E-Health bei der Asklepios Service IT GmbH, ist die elektronische Patientenakte für Krankenhäuser eher eine laue Brise. Verschiedene Themenfelder hindern die Krankenhäuser daran, die ePA einzusetzen. So müssten bestimmte Schutzziele erreicht werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Ebenfalls wichtig seien die Patientensicherheit, die Verfügbarkeit und die Integrität der Daten. Im Krankenhaus gibt es verschiedene Systeme, beispielsweise das Krankenhausinformationssystem, ähnlich wie das Praxisverwaltungssystem in Arztpraxen. Darüber hinaus gibt es auch Radiologiesysteme, Laborsysteme, ein digitales Archiv und mehr.

Daher müssten auch all diese Systeme Daten in die ePA stellen. Unklar sei allerdings, wie das Schutzniveau der anderen an die ePA angebundenen Parteien ist und was diese in der ePA zur Verfügung stellen. "Ist denn hier ein Schutzniveau, gibt es ein Patchmanagement und so weiter", so Hempel. Daher geht mit der ePA aus Krankenhaussicht ein hohes Risiko einher. Die IT-Sicherheit in Arztpraxen stelle ein Sicherheitsrisiko dar, wobei Hempel auch auf die kürzlich veröffentlichte Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik verweist.

Zu den Risiken gehören "kein Virenschutz, ungesicherte Netzwerkdosen, ungültiges oder unzureichendes Patchmanagement, veraltete Anwendungen", dabei versuchen man in den Krankenhäusern laut Hempel all diese Risikofaktoren zu verringern. Man könne es sich nicht erlauben, das Krankenhaus aus- oder abzuschalten. Es sei nicht so, dass man das nicht in den Griff bekommen könnte, allerdings würde die Situation "wahnsinnig viel Kopfschmerzen" machen und viele Ressourcen kosten. Dabei wünscht sich Hempel von der Gematik Unterstützung in Form von Informationen dazu, was in der TI passiert, was vorgegeben ist und welche Schutzziele schon adressiert werden und welche noch adressiert werden müssen.

Der oft kritisierte mangelhafte Support sei auch für die Krankenhäuser ein Thema. Es sei beispielsweise dazu gekommen, dass es bei einem Patienten zu einen Fehler beim Datenabruf gekommen ist. "Wir haben ein Ticket aufgegeben und man landet in der Support-Hölle. [...] Die Verantwortlichkeit wird immer auf den anderen geschoben", so Hempel. Daher fordern verschiedene Teilnehmer des Gesundheitswesens neben einem Gesamtverantwortlichen auch immer wieder ein Störungsportal, das detailliert Informationen zu den Störungen liefert.

Es gebe auch kein Service Level Agreement und damit keine Möglichkeit, darauf zu drängen, dass ein Ticket zeitnah behoben werde. Das Ticket wurde nach vier Monaten mit der Begründung geschlossen, der Fehler könne nicht mehr nachgestellt werden. Dem Patienten habe das dann auch nicht mehr helfen können. Hempel sei besorgt, dass mit der ePA für alle mehr Last auf dem System liegt und noch mehr Fehler auftreten. Bisher sei das für Patienten und Krankenhauspersonal frustrierend.

Viele Störungen rund um die Telematikinfrastruktur sind nicht zuzuordnen.

(Bild: Andreas Hempel)

In den Asklepios-Kliniken betreuen Hempel und seine Kollegen rund 100 Konnektoren und 1000 Kartenterminals. Mit den Log-Dateien habe er ein "enormes Grundrauschen an Fehlermeldungen" ermitteln können. Ideal wäre es auch, die Fehler erkennen zu können, bevor der Anwender sie drauf aufmerksam macht. Das ist zurzeit allerdings nicht möglich, wie auch regelmäßige TI-Störungen aus verschiedenen Gründen immer wieder zeigen. Das bisherige Störungsportal und der Ende 2023 eingerichtete WhatsApp-Kanal seien Betroffenen zufolge nicht hilfreich genug.

Mit der Digitalisierung sollen sich eigentlich Kosten in Milliardenhöhe einsparen lassen. Das Gegenteil ist bisher jedoch der Fall. Laut Hempel brauche es neben einem "praktikablen Supportkonzept" auch eine Erweiterung der ePA zu einer Plattform, an die beispielsweise auch Patientenportale angebunden werden können und keine Doppelstrukturen, die ebenfalls unnötige Kosten verursachen.

(mack)