Nach Israel-Kritik: Web-Summit-CEO tritt zurück

Nach kontroversen Tweets des CEO haben sich große Aussteller zurückgezogen, jetzt zieht sich Paddy Cosgrave vom Chefposten zurück.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen

Cosgrave zur Eröffnung des Web Summit 2022.

(Bild: Piaras Ó Mídheach / Web Summit)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der CEO und Mitgründer des Web Summit, Paddy Cosgrave, ist zurückgetreten, nachdem zahlreiche Unternehmen und prominente Teilnehmer wegen seiner kontroversen Bemerkungen über Israel ihren Auftritt auf der Tech-Konferenz abgesagt haben. "Ich trete als CEO mit sofortiger Wirkung zurück", teilte Cosgrave am Samstag mit.

Seine Äußerungen hätten sich unglücklicherweise als Belastung für die Veranstaltung, seine Teilnehmer und Sponsoren sowie das Team erwiesen, erklärte Cosgrave weiter. "Ich möchte mich erneut aufrichtig entschuldigen." Cosgrave bleibt Medienberichten zufolge der Hauptanteilseigner des Unternehmens, das den Web Summit veranstaltet.

Zuvor hatten große Aussteller und Sponsoren sich vom Web Summit zurückgezogen, darunter Amazon, Alphabet (Google), Intel, Meta (Facebook) und Siemens. Auch Israel wird nicht teilnehmen. Zudem haben mehrere Prominente abgesagt, die auf der Veranstaltung sprechen sollten, darunter die Schauspieler Amy Poehler, Gillian Anderson, Joseph Gordon-Levitt und der Rapper LL Cool J.

Nach dem Terror-Angriff der palästinensischen Hamas auf Zivilisten in Israel hatte Cosgrave sich "schockiert" gezeigt angesichts der von anderen Regierungen demonstrierten Solidarität mit Israel. "Kriegsverbrechen bleiben Kriegsverbrechen, auch wenn sie von Alliierten begangen werden, und sollten als das benannt werden, was sie sind", schrieb Cosgrave am Montag auf X (vormals Twitter) mit Blick auf Israels Reaktion auf den Anschlag.

Daraufhin sagten erste Teilnehmer ihren Auftritt auf dem Web Summit ab, darunter israelische Start-ups und Vertreter von Risikokapitalfirmen. Der am Dienstag veröffentlichte Versuch einer Entschuldigung konnte die Wogen nicht glätten. Im Laufe der Woche zogen sich weitere wichtige Sponsoren und Aussteller vom Web Summit zurück.

Ein Nachfolger für die Rolle des CEO solle "so schnell wie möglich" gefunden werden, teilte das Unternehmen mit. Die Durchführung des Web Summit und das Unternehmen seien nicht gefährdet, hieß es. Die Konferenz soll wie geplant vom 13. bis 16. November in Lissabon stattfinden. Erwartet werden rund 70.000 Teilnehmer.

Auch der deutsche Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist für einen Auftritt in Lissabon angekündigt. Er soll über den deutschen Weg in eine progressive Zukunft sprechen. Ob die Bundesregierung unter den Umständen an dem Auftritt festhält, ist offen. "Wir schauen uns den Sachverhalt aktuell an und werden dann entscheiden", erklärte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Anfrage.

Zu der von Cosgrave und zwei Partnern in Dublin 2009 gegründeten Konferenz für Internetentwickler und Start-ups kamen im ersten Jahr rund 400 Besucher. Die Besucherzahlen stiegen in der Folge deutlich an. 2016 erfolgte der in Irland kritisch aufgenommene Umzug nach Lissabon, wo zuletzt über 70.000 Teilnehmer gezählt wurden.

Der Web Summit gilt als eine der größten und erfolgreichsten Tech-Konferenzen der Welt. Die mehrtägige Konferenz zieht hochrangige Vertreter von Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft ebenso an wie kleine Unternehmen, Start-ups und Entwickler. Der Web Summit hat einen Ableger in Rio de Janeiro, ein weiterer soll im kommenden Jahr erstmals in der katarischen Hauptstadt Doha stattfinden.

Cosgrave hat es geschickt verstanden, den Web Summit als Forum an der Schnittstelle von technologischen und gesellschaftlichen Themen zu etablieren. Damit ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Politisierung der Konferenz einhergegangen. Cosgrave war zuvor unter anderem für Einladungen an die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und Vertreter der US-Website Grayzone kritisiert worden, beide wurden wieder ausgeladen.

Update

Erklärung des BMWK ergänzt.

(anw)