Weg von der Gasheizung: Welche Optionen es für Mehrfamilienhäuser gibt

Das "Verbot" von Öl- und Gasheizungen stellt die weit verbreiteten Mietblöcke vor Herausforderungen. Diese Gebäude sind ein wunder Punkt der Energiewende.

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In einem Studentenwohnheim in Herford werden vorproduzierte Dachmodule eingebaut – ein Pilotprojekt dersogenannten "seriellen Sanierung".

(Bild: Freitag/Pribaten/dena)

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Es sei noch nicht der finale Entwurf, heißt es vom Bundeswirtschaftsministerium, dennoch sorgen die Reformideen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gerade für ordentlich Diskussionsstoff. Der Entwurf, der heise online, vorliegt, sieht vor, dass ab 2024 in Deutschland nur noch neue Heizungen auf Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie eingebaut werden dürfen. Das impliziert ein Ende von Öl- und Gasheizungen, wie sie derzeit in deutschen Mehrfamilienhäusern vorrangig installiert sind.

Dass ein Umdenken bei der Heizungsfrage angesichts des Kriegs von Russland gegen die Ukraine und der daher rasch gestiegenen Energiepreise erforderlich ist, ist unbestritten. Doch den Umbau und die damit verbundene Gebäudesanierung vor allem auch sozialverträglich zu gestalten, ist alles andere als einfach.

Besonders das Heizen mit Gas oder Öl legte laut dem Vergleichsportal Check24 die größte Preissteigerung hin, so verdoppelten sich die Kosten im Vergleich 2021 und 2022: Nach Angaben des Spiegel musste der Musterhaushalt im Januar 2021 im Durchschnitt für Gas und Heizöl noch 1.193 Euro zahlen, Anang 2022 waren es 2.472 Euro. Die Angriffe auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 im September 2022 haben die Lage nochmals verschärft.


Dieser Text erschien erstmals unter dem Titel "Abschied vom Gas" in der Ausgabe 8/2021 von MIT Technology Review. Das vollständige Heft lässt sich als pdf im heise shop bestellen.


Umso drängender wird eine Energiewende dort, wo Menschen nicht über ein großes Einkommen verfügen und beispielsweise in schlichten Mietwohnungen leben wie etwa im "Kuckuck", einem Wohngebiet am Rande von Hameln. Hier stehen gelbverputzte Mietriegel aus den dreißiger Jahren in Reih und Glied, viele von ihnen ziemlich heruntergekommen. Eine typische Bebauung eben, wie sie bis in die sechziger Jahre überall in der Republik entstand – und die bis heute einen großen Teil des Wohnbestands ausmacht.

Solche Viertel sind ein wunder Punkt der Energiewende. Nach Angaben der Deutschen Energieagentur (dena) macht die Wärme in Gebäuden hierzulande rund 35 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus. Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, müssten – je nach Szenario – jährlich rund 1,5 bis 2,8 Prozent des Bestands saniert werden. Doch derzeit sind es nur rund ein Prozent. Denn während sich bei Neubauten oder Luxussanierungen vergleichsweise einfach alles einbauen lässt, was die moderne Gebäudetechnik hergibt, häufen sich bei älteren Wohnanlagen die Schwierigkeiten: Die Bausubstanz steckt oft voller Überraschungen, die Eigentümerstruktur ist kompliziert, der finanzielle Spielraum gering – schließlich soll auch nach der Sanierung noch genug bezahlbarer Wohnraum übrig bleiben.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 8/2021

Mehr über unser Gehirn und ob es im Alltag durch Meditation und Achtsamkeit wirklich zur Ruhe kommt, hinterfragt die neue Ausgabe 8/2021 von Technology Review. Das Heft ist ab dem 11.11.2021 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Über die Prioritäten bei der Sanierung sind sich die Experten grundsätzlich einig: erst die Dämmung, dann die Heizung. "Ein Passivhaus-Standard ist bei Sanierungen zwar nur in Ausnahmefällen zu erreichen, aber in der Regel kommt man nahe dran", sagt Rainer Pfluger vom Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften der Uni Innsbruck. Und wenn der Heizbedarf einer Wohnung sinkt, kann die Heizung entsprechend kleiner und sparsamer ausfallen. Die Industrie wolle aber, so Pfluger, diesen ersten Schritt gerne überspringen, um etwa mit leistungsstärkeren Wärmepumpen mehr Geld zu verdienen.

Wie sich angejahrte Gebäude sozialverträglich sanieren lassen, soll ein Wohnblock im Hamelner Kuckuck zeigen. Er sticht durch seine graue Holzfassade aus dem gelblichen Einerlei hervor. Fünf Jahre standen die zwölf Wohnungen leer, der Schwamm hatte sich ausgebreitet. Nach einer gründlichen Innensanierung begann Ende 2019 die Installation vorgefertigter Fassadenelemente aus Lärchenholz. Fenster, Lüftung, Stromkabel, Glasfaserdämmstoff und Beschichtungen waren darin bereits integriert. Gebaut wurden die Elemente in Brandenburg. Sie sind jeweils 7 mal 2,85 Meter groß, 36 Zentimeter dick und können per Lastwagen transportiert werden. Auch die Dachelemente wurden vorgefertigt.

500 Sensoren steuern eine Wärmepumpe und die Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Insgesamt erfüllt das Gebäude nun den KfW-55-Standard, verbraucht also nur noch 55 Prozent der Primärenergie eines unsanierten Referenzgebäudes. Die Kaltmiete ist mit 5,80 Euro pro Quadratmeter nur 60 Cent teurer als bei den benachbarten unsanierten Wohnungen gleicher Bauart. Die Warmmiete soll in etwa gleich hoch sein.