ADAC sieht automatisch versenkende Auto-Türgriffe kritisch

Der ADAC beginnt angesichts elektrisch betätigter, aerodynamisch schick versenkbarer Autotür-Griffe nachdenklich zu werden. Es gebe auch Sicherheitsaspekte.

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Türgriff eines Mercedes EQE 500 SUV

Bereit zum Einsteigen: Ausgefahrener Türgriff eines Mercedes EQE 500 SUV (unser Test)

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 4 Min.
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Der ADAC findet die aerodynamischen, schick versenkbaren Autotürgriffe (Tesla, BMW und einige mehr) nicht in jedem Fall prickelnd, jedenfalls aus der Sicht von Ersthelfern. Obwohl es noch keine aktuell besorgniserregenden Erkenntnisse aus der Unfallforschung gibt, geht der ADAC nun mit einer recht allgemein gehaltenen Mitteilung an die Öffentlichkeit. Es scheint ihm vor allem darum zu gehen, für das an sich nicht neue Thema unter einem neuen Aspekt zu sensibilisieren. Denn versenkbare Türgriffe waren schon seit ersten zarten Sicherheits-Überlegungen anfangs der 1960er-Jahre immer mal wieder im Gespräch. Und das keinesfalls immer negativ. Neuerdings geht es vor allem um ihre automatische Funktion.

Menschen aus einem verunfallten Auto zu bekommen, kann zu einer lebensentscheidenden Zeitfrage werden, etwa, wenn eine Person schwer verletzt ist und umgehend Erste Hilfe benötigt oder das Fahrzeug sich in einer instabilen Lage befindet. Ganz offensichtlich drängt die Zeit gerade auch im Falle eines Fahrzeugbrands wie etwa dem vom August 2022 in Brandenburg, bei dem zwei junge Menschen in einem Tesla Model S den Tod fanden, weil niemand vor Ort die Türen öffnen konnte. Ursache dafür waren möglicherweise die automatischen Türgriffe des Tesla.

Der ADAC sieht besonders die modernen versenkbaren Türgriffe als besonders problematisch an, weil ihr Mechanismus zumeist von der Stromversorgung abhängt. Ersthelfer stehen bei stromlosen Unfallwagen bisweilen vor dem Problem, Türen weder entriegeln noch aufziehen zu können. Wie der Autoclub schreibt, brauchten selbst geschulte Rettungskräfte länger, um an die Insassen zu gelangen, wenn sich die Türen nicht einfach öffnen lassen.

Nicht alle bündig einfahrenden Türöffner haben zwar das kritisierte Problem. Einige sind bewusst so konstruiert, dass sie sich durch Druck auf den vorderen Teil herausklappen lassen. Doch fehlt den allermeisten ungeschulten Ersthelfern dieses Wissen. Zudem ist für sie nicht erkenntlich, wie dieser Mechanismus funktioniert. Jeder zufällige Unfallzeuge jedoch sollte in der Lage sein, die Türen "intuitiv" zu öffnen, wie der Club zurecht zu bedenken gibt.

In den Crashtests des EuroNCAP, die unter anderem prüfen, ob Türen nach einem Unfall selbsttätig entriegeln und die Türöffnungskräfte messen, seien versenkbare Türöffner bisher unauffällig geblieben, schreibt der ADAC. Laut Medienberichten, wie dem des Handelsblatts vom 27. Februar im Falle des verunfallten Tesla Model S sei es in der Realität allerdings zu Problemen gekommen. Daher plädiert der ADAC vorsichtshalber für eine mechanische Lösung für das Ausfahren der Türgriffe.

Als lebenspraktischen Hinweis gibt der ADAC aus, dass manche Fahrzeuge auch von innen die Türen elektrisch per Tastendruck entriegeln. Um ihr Fahrzeug im Gefahrenfall ohne Stromversorgung rasch öffnen zu können, sollten Besitzer diverser Modelle von Tesla, Nio oder BMW 7er und iX im Handbuch des Fahrzeugs mit den Möglichkeiten zur Notentriegelung vor Fahrtantritt vertraut machen und es den anderen Insassen zeigen.

Im Falle einer Verformung, welche die Türen in ihren Rahmen zu sehr verklemmt, helfen freilich auch entriegelte und ausgefahrene Türgriffe nichts mehr. Entweder, weil die Helfer den nötigen Zug nicht aufbringen, oder weil die Griffe schlicht abreißen. Die aus den öffentlichen Verkehrsmitteln vertrauten Fenster-Notfallhämmer können laut ADAC den Passagieren hilfreich sein, sollten sie in der Lage sein, ihn zu benutzen. Verlassen sollten sie sich darauf aber auch nicht, denn gegen die immer häufiger auch seitlich eingebauten Verbundglasscheiben moderner Autos hat er nur eine begrenzte Wirkung.

(fpi)